Maren Urner ist Neurowissenschaftlerin, Professorin für Medienpsychologie an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln und Mitgründerin von Perspective Daily, dem ersten werbefreien Online-Magazin für Konstruktiven Journalismus in Deutschland. Mit ihren Büchern „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang“ und „Raus aus der ewigen Dauerkrise“ wurde sie zur Bestsellerautorin. UNO INO hat ihr drei Fragen zu ihrem Schwerpunkt der Nachhaltigkeitskommunikation gestellt.
- Was ist eine besondere Herausforderung des Verständnisses von Nachhaltigkeitskommunikation?
Ich erlebe häufig, dass Nachhaltigkeitskommunikation eine Art Randdasein führt: Diejenigen, die sich damit beschäftigen „müssen“, sitzen am Katzentisch, sind die Moralapostel und/oder Spielverderber:innen, weil sie Einschränkungen, Verbote und Co. durchsetzen sollen. So entstehen Gruppen, die gegeneinander statt füreinander arbeiten, es werden faule Kompromisse geschlossen und der Vorwurf des Greenwashing steht – häufig zu Recht – im Raum.
Um dieses falsche Verständnis von Nachhaltigkeitskommunikation hinter sich zu lassen, hilft es, sich die drei besonderen Herausforderungen bewusst zu machen. Alle drei haben – aus Sicht einer Neurowissenschaftlerin nicht weiter verwunderlich – mit unserem Denken und unseren Vorstellungen zu tun. Erstens sind wir alle „Gewohnheitstiere“ und versuchen in vielerlei Hinsicht am „Alten“ festzuhalten. Der Twist besteht nun darin, zu begreifen und zu kommunizieren, dass das „Wahren“ der uns wichtigen Dinge inklusive der eigenen Wirtschafts- und Lebensgrundlage nur gelingen kann, wenn wir unser Denken und Verhalten ändern. Damit einher geht die zweite Herausforderung: Nachhaltigkeit ist kein Thema, das wie andere Themen in Jahresberichten abgearbeitet werden kann, sondern ist eine Dimension jedes Themas und muss entsprechend immer mitkommuniziert werden. Von der Mission eines Unternehmens bis zur Kundenkommunikation. Die dritte Herausforderung verbindet wie wohl keine andere Thematik Theorie und Praxis. Jedes Unternehmen, das auch Morgen noch am Markt sein will, sollte zwangsläufig mittel- und langfristig orientierte Entscheidungen treffen: Die Loslösung vom kurzfristigen zum langfristigen – also wahrlich nachhaltigen – Denken ist somit alternativlos!
- Welche Vorgehensweise der Nachhaltigkeitskommunikation führt eher zu Handeln? Panikmache oder Mutmache?
Ich spreche in diesem Zusammenhang gern von einem Korridor, den es zu bespielen gilt. Er wird begrenzt zwischen das Gefühl nichts tun zu müssen und Panik. Die zentrale Aufgabe besteht also darin, den Korridor mit dem richtigen Maß an Dringlichkeit zu bespielen, dass Menschen ins Handeln kommen, weil sie begriffen haben, dass ein Nicht-Handeln zu einem schlechteren Ergebnis führt. Oder ökonomisch formuliert: Weil das Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse sie dazu bewegt, aktiv zu werden und suggeriert, dass sich Nachhaltigkeit lohnt. Wird die Dringlichkeit so dominant, dass sie Panik und starke Ängste auslöst, sorgt das nicht für Handlungsfähigkeit, sondern sorgt vor allem für kurzfristig orientiertes Verhalten, um das Überleben jetzt und hier zu sichern. Tatsächlich sind die Gehirnregionen, die uns überlegt und zukunftsorientiert entscheiden und handeln lassen, in Angst und Unsicherheit außer Gefecht gesetzt. Hinzu kommt, dass positive Emotionen uns durchschnittlich besser befähigen als negative.
- Wie kann Nachhaltigkeitskommunikation die Kunden an das Unternehmen binden?
Die wichtigste Zutat für ein gesundes und glückliches Leben sind gute soziale Beziehungen. Genau hier sehe ich das riesige Potential erfolgreicher Nachhaltigkeits- bzw. Kundenkommunikation generell. Schafft es ein Unternehmen, eine ehrliche Beziehung aufzubauen, beginnen Menschen diese zu schätzen und möchten sie wahren. Genau dann beginnt Nachhaltigkeit: Wenn es darum geht, ehrlich langfristige Ziele zu verfolgen. Eine Kernzutat damit das gelingt, ist das Formen einer neuen Gruppe, in der Unternehmen und Kund:innen ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. Was könnte sich besser dafür eignen, als der Einsatz für die eigene Lebensgrundlage gepaart mit klaren Botschaften, wie gemeinsam dazu beigetragen werden kann?