Erster Teil: Eine Idee erfasst die Welt – Entwicklung und Bedeutung der Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ist ein vielbeschriebener und vieldiskutierter Begriff. Dennoch scheint nicht immer klar, was er eigentlich genau meint. Nicht selten wird seine Bedeutung für wirtschaftliches Handeln unzureichend bewertet.

Damit werden Chancen vertan: Chancen für zukunftsfähiges Wirtschaften, Chancen für uns alle und für kommende Generationen. Nachhaltigkeit zu verstehen, ist daher essentiell.

Nachhaltigkeit – der ursprüngliche Gedanke

Der ursprüngliche Nachhaltigkeitsgedanke wurde bereits 1713 durch den sächsischen Oberberghauptmann von Carlowitz in forstwirtschaftlichen Schriften formuliert. Eine drohende Rohstoffkrise warf für ihn die Frage auf, wie für den Bau von Silberminen dauerhaft ausreichend Holz zur Verfügung stehen kann. Sein Ansatz: Es darf nur so viel Holz geschlagen werden, wie durch planmäßige Aufforstung, Säen und Pflanzen nachwachsen kann.

Mit anderen Worten: Es ist nachhaltig, natürliche Grundlagen zu erhalten und so Wirtschaft voranzubringen und Wohlstand zu generieren.

Nachhaltigkeit – Verantwortung für kommende Generationen

1972 fordert Dennis Meadows in seinem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ für den „Club of Rome“ ein „nachhaltigen Weltsystem, welches, in sich selbst aufrechterhaltbar („sustainable”) sein soll, um für künftige Generationen tragbar zu werden.”

Der Gedanke, dass Entwicklung generationsübergreifend erfolgen soll, wurde 1987 im Brundlandt-Report für die Vereinten Nationen bestätigt. Der Bericht enthält zudem eine richtungsweisende Definition von Nachhaltigkeit, welche in spätere internationale Abkommen übernommen wurde. Demnach ist Entwicklung nachhaltig, wenn sie „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“

Der Weltgipfel der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro formulierte die Agenda 21 als globales Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung. Dies führte dazu, dass das Thema Nachhaltigkeit Eingang in politische und gesellschaftliche Diskurse fand.

Protestplakat One World

Nachhaltigkeit – Ökologie, Soziales und Ökonomie

Als Ergebnis dieses Diskurses bildete sich ein weites Spektrum an Ansätzen, welche das heutige Nachhaltigkeitsverständnis prägen.

Einen wichtigen integrierten Ansatz beschreibt das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit mit den Bereichen Ökologie, Soziales und Ökonomie als gleichberechtige Elemente.

Vereinfacht dargestellt geht es im Bereich Ökologie darum, die Umwelt und natürliche Ressourcen nicht übermässig zu belasten, sondern vielmehr zu schonen.

In sozialer Hinsicht stehen die Menschenwürde und freie Entfaltung des Menschen im Vordergrund.

Die ökologische Dimension stellt auf gutes Wirtschaften ab. Gewinnmaximierung soll nicht das einzige Ziel von Wirtschaft sein. Vielmehr sollen durch langfristige Strategien, die dem Menschen und der Umwelt dienen, langfristige Gewinne erwirtschaftet werden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Faire Handel.

Das Drei-Säulen-Modell wurde 1994 von dem britischen Berater John Elkington für Unternehmen in Anlehnung an den Gedanken der Corporate Social Responsibility, also unternehmerische Verantwortung in sozialer und ökologischer Hinsicht, als „Triple Bottom Line“ spezifiziert.

Der englische Ausdruck „Bottom Line“ bezieht sich auf das Ergebnis unter dem Schlussstrich der Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Nach Elkington’s Ansatz werden dort die ökologische und die soziale Dimension ergänzt.

Wenn Unternehmen diese Dimensionen in ihrem Kerngeschäft verankern, erbringen sie “unter dem Strich” öko-soziale Leistungen und tragen zu nachhaltiger Entwicklung bei.

Nachhaltigkeitsziele – die besondere Verantwortung der Wirtschaft

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals) geben eine wichtige Orientierung zur Bewältigung der globalen Herausforderungen bis 2030.

Die Erde und die natürlichen Lebensgrundlagen aller Lebewesen sollen bewahrt werden. Generationsübergreifend sollen die Würde und Wohl der Menschen sichergestellt werden.

Die 17 Ziele und 169 Unterziele beinhalten ökologische, soziale und ökonomische Aspekte.

Sie richten sich an alle Nationen und alle Akteure.

Nicht-staatliche Akteure wie die Wirtschaft spielen eine besondere Rolle: Wirtschaft soll zu nachhaltigem Wirtschaften umgestaltet werden. Ziel 8 fordert zum Beispiel menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum. In Ziel 12 wird auf nachhaltigen Konsum und Produktion abgestellt.

Nachhaltigkeit – Schutz der planetaren Grenzen und biologischer Vielfalt

2009 wurden durch verschiedene Wissenschaftler die sog. planetare Grenzen definiert. Diese bestimmen die Belastbarkeit der Erde. Dazu zählen zum Beispiel die Artenvielfalt, Klimawandel oder die Ozeanversauerung.

Werden diese Grenzen überschritten, besteht das Risiko irreversibler Schäden für die Umwelt und damit die Lebensgrundlagen des Menschen, insbesondere zukünftiger Generationen.

Biodiversität oder biologische Vielfalt bezieht sich, anders als oft angenommen, nicht allein auf Artenvielfalt. Biodiversität meint vielmehr auch genetische Vielfalt und die Vielfalt von Ökosystemen.

Ökosysteme sind Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Sie liefern beispielsweise Nahrungsmittel, Trinkwasser, Energie oder Baumaterialien. Sie sorgen für die Regulation des Klimas, bilden Böden und vieles mehr.

Werden Ökosysteme zerstört, verschwinden Nährstoffkreisläufe, also Lebensgrundlagen für alle Lebewesen und Pflanzen.

Das heutige Wirtschaften wird oft erst durch den Verbrauch natürlicher Ressourcen ermöglicht und ist mit dem Eingriff in Ökosysteme verbunden. Insofern spielen Unternehmen eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung von Biodiversität und der Sicherung planetarer Grenzen. Hier zeigt sich die Verzahnung von Ökologie, Sozialem und Ökonomie. Nachhaltiges Wirtschaften bringt diese Aspekte in Ausgleich.

Kreislaufwirtschaft – Natur als Vorbild für Nachhaltigkeit

Wie ein solcher Ausgleich gelingen kann, beschreibt die Kreislaufwirtschaft. Sie ist ein wichtiger Ansatz zur Umsetzung von Nachhaltigkeit.

Das heutige Wirtschaftssystem verfolgt einen linearen Ansatz und zielt auf „Nutzen und Wegwerfen“ ab. Produkte haben oft einen nur begrenzten Lebenszyklus.

Die Kreislaufwirtschaft hebt dieses lineare Denken auf. Sie orientiert sich an natürlichen Prozessen: Tote biologische Masse wird zersetzt und gelangt zurück in Nährstoffkreisläufe, so dass neues Leben entstehen kann. Die Natur kennt dabei keinen Abfall.

Übertragen auf wirtschaftliches Handeln bedeutet dies, dass der Lebenszyklus von Materialien und Produkten so weit wie möglich verlängert und so wenig Abfall wie möglich entsteht. Dies geschieht durch Wiederverwendung, Reparatur, Aufarbeitung oder auch Recycling.

Die historische Entwicklung und Ausformung des Begriffs der Nachhaltigkeit ist von signifikanter Bedeutung für zukunftsfähiges Wirtschaften.
Welche spezifischen Erfordernisse für die Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedanken in der Praxis erforderlich sind, stellen wir im zweiten Blogbeitrag zu diesem Thema dar.