Prof. Dr. Markus Beckmann ist Leiter des Lehrstuhls Corporate Sustainability Management an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und befasst sich unter anderem mit der Theorie und Praxis des unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements, mit Corporate Social Responsibility (Unternehmensverantwortung) sowie mit Wirtschafts- und Unternehmensethik. UNO INO hat ihm 3 Fragen zu den regulatorischen Änderungen und ihren Herausforderungen und Chancen für Unternehmen gestellt.

1. Wie nehmen Sie die aktuellen regulatorischen Anforderungen für die Unternehmen wahr und glauben Sie, dass Deutschland oder Europa durch diese Regulatorik Wettbewerbsnachteile hat?
Das unternehmerische Nachhaltigkeitsmanagement befindet sich gerade in einem weitgreifenden Umbruch. Lange fielen wichtige Nachhaltigkeitsfragen in den Bereich der freiwilligen gesellschaftlichen Verantwortung. Beginnend mit größeren Unternehmen ist diese Zeit der Freiwilligkeit heute in wichtigen Punkten vorbei, sei es mit Blick auf Berichtswesen, Sorgfaltspflichten in der Lieferkette oder ganz konkrete Fragen wie die Wahl von Antriebstechnologien für Automobilhersteller. Da der nachhaltige Umbau der Wirtschaft alle Unternehmen mitnehmen muss, sind derartige verbindliche regulatorische Regelungen eindeutig zu begrüßen. Gleichzeitig passiert gerade sehr viel und die regulatorische Komplexität steigt enorm, wie z.B. im Fall der EU-Taxonomie. Für viele Unternehmen und Marktbeobachter fällt es aktuell schwer, hierbei Schritt zu halten.
Zu den Wettbewerbsnachteilen:
Es kommt auf die Art der Regulierung an. Regulierung kann zu Wettbewerbsnachteilen führen, etwa durch höhere bürokratische Kosten. Regulierung kann aber auch Transparenz und Innovation fördern, was langfristig zu Wettbewerbsvorteilen führen kann. Es geht also nicht um das „Ob“, sondern das „Wie“ von Regulierung. Meine Sorge ist, dass viele Unternehmen aktuell so sehr mit der Compliance mit Blick auf neue Regulierung beschäftigt sind, dass für Innovation wenig Raum bleibt.
2. Was sollten Unternehmen aus Ihrer Sicht in der Nachhaltigkeitsstrategie berücksichtigen?
Die Treiber, Nutzen und Kompetenzen, Nachhaltigkeitsfragen zu bearbeiten, sehen für jedes Unternehmen anders aus. Daher sollten Unternehmen analysieren, in welchen Nachhaltigkeitsaspekten für sie die größte Relevanz besteht, und zwar im Sinne „dynamischer Materialität“ auch in zukünftiger Hinsicht.
- In welchen Aspekten des Geschäftsmodells liegen die relevantesten Nachhaltigkeitswirkungen?
- Wo liegen die größten Schnittstellen zu den strategischen Werttreibern wie Kosten, Risiken und (zukünftigen) Nutzen?
- Wo liegen besondere Kompetenzen des Unternehmens?
- Wo möchte/muss ein Unternehmen Mindeststandards für Nachhaltigkeit erfüllen?
- Wo kann/will das Unternehmen eine Vorreiterrolle einnehmen?
3. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Handlungsfelder für eine zukunftsorientierte, nachhaltige Entwicklung aus Unternehmenssicht? Und haben Sie noch wertvolle Tipps, die Sie Unternehmen mitgeben wollen?
Nachhaltigkeit betriff alle Komponenten eines Geschäftsmodells. Häufig liegt der Fokus darauf, welche Schadschöpfungen – z.B. CO2-Emissionen, Abfall, Menschenrechtsfragen – in den Kernaktivitäten zur Werterstellung liegen. Diese gilt es zu identifizieren und zu reduzieren. Stichwort: „Do no harm“. Schadschöpfungsvermeidung ist in der Tat essenziell. Aber mindestens so wichtig ist die Frage, wie eine Unternehmung im Positiven zu Nachhaltigkeit beiträgt. Wo ist der positive Fußabdruck? Dies lenkt den Blick insbesondere auf das Leistungsangebots eines Unternehmens. Wie tragen wir durch unsere Produkte und Dienstleistungen zur nachhaltigen Entwicklung bei? Mit welchen Produktinnovationen könnten wir noch besser zu den SDGs beitragen? Positive Beiträge im Sinne des Aufbaus von Natur-, Sozial- oder Humankapital können Unternehmen freiwillig auch in ihren Geschäftsprozessen leisten, anfangen vom wichtigen Thema Mitarbeitendenentwicklung bis hin zu regenerativer Landwirtschaft in der Lieferkette.
Mein Tipp zum Schluss:
Nachhaltigkeit ist kein kurzfristiges Projekt, sondern ein Entwicklungsprozess. Dies erfordert systematisches Lernen. Hierfür ist es förderlich, klare Verantwortlichkeiten, Ziele, Indikatoren und Feedback zu kultivieren.