Prof. Thomas Brudermann ist promovierter Psychologe und Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung an der Karl-Franzens-Universität Graz und setzt sich damit auseinander, wie Klimaschutz in unserer Gesellschaft mehr Gehör verschafft werden kann. Dazu hat er 2022 das Buch “Die Kunst der Ausrede” geschrieben, das sich humorvoll mit Klimapsychologie auseinandersetzt und zeigt, warum es so schwer ist Klimaschutz an den Menschen zu bringen. UNO INO hat ihm drei Fragen zu seiner Arbeit gestellt.

1. Stellen Sie sich gerne kurz vor: Wie beschäftigen Sie sich in ihrem Berufsleben mit dem Thema Klimaschutz und wie privat?

Ich bin Nachhaltigkeitsforscher an der Uni Graz und verknüpfe in meiner Arbeit Nachhaltigkeits- und Klimathemen mit menschlichem Verhalten. Ich betätige mich außerdem als Wissenschaftskommunikator: Wir haben es beim Thema Klima und Artenvielfalt mit einer existenzbedrohenden Herausforderung zu tun. Die Wissenschaft wird aber nur von Teilen der Bevölkerung gehört, während der gesellschaftliche Diskurs sehr stark an Missverständnissen, Wissenslücken und organisierter Desinformation leidet. Ich sehe es als Aufgabe der Wissenschaft, sich dagegen zu stellen und auch aktiv Gehör zu verschaffen.

Privat fliege ich nicht mehr, lebe vegetarisch und lege die meisten meiner Wege per Rad und Öffis zurück. Und ich koche für Gäste immer vegetarisch/vegan, auch um Vorurteile und Barrieren gegen fleischfreie Küche abzubauen. 

2. Sie haben mit „Die Kunst der Ausrede“ ein Buch über Klimapsychologie geschrieben und was hinter der Selbsttäuschung und dem menschlichen Entscheidungsverhalten steckt: Wenn Sie auf ihre Kernergebnisse blicken: Was sind die häufigsten Klimaausreden und welche psychologischen Zusammenhänge stecken dahinter?

Ich habe die verschiedenen Ausreden nicht gezählt, aber es gibt doch ein paar, die uns sehr häufig begegnen:

Aktuell gerade, v.a. im politischen Diskurs: Wir lösen das alles mit Technologien und Innovationen. Das ist eine sehr angenehme Erzählung, die uns direkt bei unserem Bedürfnis nach Bequemlichkeit abholt: Wir können weiter machen wie bisher, die Technologien richten das für uns. Das geht aber völlig an der Realität vorbei. Viele der erträumten technologischen Lösungen stecken, wenn überhaupt, erst in den Kinderschuhen und es fehlt uns die Zeit, auf sie zu warten. Und es gibt Bereiche, wo wir nur mit Technologien allein nicht klimaneutral werden können – Stichwort fleischreiche Ernährung und Autonutzung.

Eine weitere beliebte Ausrede ist „wir sind eh schon so umweltfreundlich, tun schon genug“. Das hat mit unserem Selbstbild zu tun, das in der Regel ins positive verzerrt ist. Eine große Mehrheit der Menschen hält sich selbst für umweltfreundlich. Denn man trennt ja brav Müll und spart Strom im Haushalt. Auf der anderen Seite blendet man das überdimensionierte Auto und die Flugreisen aber aus – also jene Dinge, die viel größere Auswirkungen haben.

Und der Verweis auf China darf natürlich auch in keiner Online- oder Stammtischdebatte fehlen: Deutschland ist doch so klein, im Vergleich zu China! Dass die Pro-Kopf-Emissionen auf die Lebensstile gerechnet in Deutschland noch immer höher sind als in China, das ignoriert man lieber. Auch, dass historisch gesehen Europa und USA das Schlamassel hauptverantwortet haben – und jemand in China diese Ausrede ganz leicht umdrehen kann. Das ist leider die Schwierigkeit bei kollektivem Klimaschutz: Jeder einzelne Beitrag ist nur ein kleines Stück in einem riesigen Puzzle. Es braucht aber alle Puzzleteile. Mit dem Finger auf andere zu zeigen ist destruktiv und fährt uns den Karren an die Wand. Die konstruktive Frage kann nur sein: Was kann ich in meinem Wirkungsbereich beitragen – und wie nehme ich möglichst viele andere dabei mit?  

3. Aus ihrer psychologischen Sicht: Welche Tipps für ein klimafreundlicheres Verhalten haben Sie für unsere Gesellschaft?

Wir müssen an Strukturen und Rahmenbedingungen arbeiten, die klimafreundliches Leben ermöglichen und erleichtern. Denn oft ist die klimafreundliche Entscheidung die unbequeme, ungewohnte und teure Option. Gegen den Widerstand der Vertreter eines fossilen Systems ist das eine Mammutaufgabe. Gleichzeitig müssen wir bessere Wege finden, um über die Herausforderungen zu sprechen: Mit der Geschichte von Verzicht, Verbot und Verlust löst man Ängste und Ablehnung aus. Wir brauchen einen stärkeren Fokus darauf, was wir, auch persönlich, mit ambitionierten Maßnahmen gewinnen: Ruhigere Städte, bessere Luft, gesündere Menschen und natürlich ein lebenswertes Klima für uns selbst und unsere Kinder.